Benjamin Meisnitzer

Das Präsens als Erzähltempus im Roman

Eine gedruckte Antwort auf den Film
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Der Begriff des Historischen Präsens ist zu einem wenig differenzierten Sammelbegriff geworden, der syntaktisch und pragmatisch sehr unterschiedliche Präsenstypen umfasst. Meisnitzers Werk arbeitet die Unterscheidungen des historischen Präsens heraus: das epische aoristische Präsens bis ins Mittelalter, das historische vergangenheitsaktualisierende Präsens ab dem 16. Jh., welches Passagen innerhalb der Erzählung durch einen Perspektivenwechsel markiert oder hervorhebt, und das narrative Präsens als durchgängiges Erzähltempus in neueren Romanen des 20. Jh. Die Konkurrenz durch den Film begünstigt die Verbreitung und Etablierung dieses alternativen Erzähltempus im Roman, bei dem das Präsens anders als häufig angenommen durchaus seine Grundsemantik bewahrt.
In spontanen Befragungen lehnen die meisten Leser das Präsens als Erzähltempus im Roman ab. Auch Literaturkritiker und ein breiter Teil der klassischen Tempusforschung sprechen dem Präsens jegliche Eignung als Erzähltempus ab. Dessen ungeachtet nutzen zahlreiche Autoren, darunter auch Nobelpreisträger wie J.M. Cotzee, Jean-Marie Gustave Le Clézio oder Elfriede Jelinek, bewusst das Präsens als Erzähltempus in ihren Romanen. Die vorliegende Monographie geht der Frage nach, ob das Präsens als Erzähltempus seinen semantischen Grundwert entfaltet oder ob die temporale Ordnung des Erzählten dadurch aufgelöst wird.
Durch die Betrachtung soll besonders die weit verbreitete Reoralisierungshypothese von Fleischmann (1990) widerlegt werden. Basis dafür ist die sorgfältige Analyse syntaktisch-pragmatischer Unterschiede zwischen dem Gebrauch des Präsens in mittelalterlichen Texten als historischem bzw. vergangenheitsaktualisierendem Präsens, als markierter Form innerhalb der Erzählung, und einem narrativen Präsens als durchgängigem Erzähltempus - einer gedruckten Antwort auf den Film. Der mittelalterliche Gebrauch des Präsens wird besonders im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit und von Temporalität und Aspektualität beleuchtet. Erkenntnisse über das Präsens als Erzähltempus im modernen Roman bieten vor allem der Rückgriff auf die perspektivische Leistung von Tempus und den Wandel der Perspektive auf fiktionale Welten durch die Etablierung des Films im 20. Jh. sowie die Einsichten der Intermedialitätsforschung. Die Monographie lädt zu einer sprachübergreifenden diachronen Reise auf den Spuren des narrativen Präsens ein.


Autor:inneninformation:
Jun.-Prof. Benjamin Meisnitzer ist seit April 2014 Juniorprofessor für Romanische Sprachwissenschaft mit iberoromanischem Schwerpunkt an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er studierte an der Universidade Nova in Lissabon und an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Die Promotion erfolgte im Rahmen der LIPP, dem internationalen Promotionsstudiengang für Allgemeine und Angewandte Sprachwissenschaft, dem heutigen Graduiertenkolleg Class of Language der LMU. Meisnitzer erhielt für seine Arbeit eine Promotionsförderung von der Studienstiftung des deutschen Volkes. Von 2010 bis 2014 war Meisnitzer wissenschaftlicher Mitarbeiter für französische, spanische und portugiesische Sprachwissenschaft am Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaft an der LMU.
Mehr Informationen
ISBN 978-3-8233-8001-6
EAN 9783823380016
Bibliographie 1. Auflage
Seiten 306
Format gebunden
Ausgabename 18001
Auflagenname -11
Autor:in Benjamin Meisnitzer
Erscheinungsdatum 13.06.2016
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